„Bedrohung der Ordnung“: Russland verbietet Zeugen Jehovas
Der Zusammenbruch des kommunistischen Systems vor 25 Jahren hat Russland weitgehende Religionsfreiheit gebracht. Die im Land schon lange verwurzelten Religionen, allen voran die russisch-orthodoxe Kirche, blühten wieder auf, neue Glaubensgemeinschaften kamen hinzu. Doch nun verbietet Russland erstmals eine größere Gemeinschaft: die Zeugen Jehovas mit ihren mehr als 170.000 Mitgliedern. Der gesamte Besitz der Gemeinschaft wird vom Staat eingezogen, nachdem das Höchstgericht die Zeugen Jehovas als „extremistisch“ eingestuft hat. Russische Religionswissenschafter sehen den Gerichtsprozess als juristisch konstruiert – doch sie meinen, gegen den Willen des russischen Staates und der russisch-orthodoxe Kirche hätten die Zeugen Jehovas keine Chance gehabt. Die Orthodoxen sehen die Zeugen Jehovas als Häretiker. Und da die orthodoxe Kirche in Russland inzwischen schon fast die Rolle einer Staatskirche spielt, kann sie ihre Interessen oft durchsetzen, vor allem, wenn sie – wie in diesem Fall – mit den Interessen der Staatsführung zusammenfallen. Die stört an den Zeugen Jehovas, dass sie zur weltlichen Macht auf Distanz gehen, Wahlen boykottieren und den Wehrdienst verweigern, anstatt – wie das im heutigen Russland gewünscht wird – die Staatsführung durch patriotische Parolen zu unterstützen. Die Zeugen Jehovas wollen gegen das Verbot berufen, ihre Chancen auf Erfolg gelten aber als gering. Bericht: Christian Lininger.