ÖSTERREICH
Zeugen Jehovas wünschen sich eigenes NS-Mahnmal
Seit nunmehr 100 Jahren sind die Jehovas Zeugen in Österreich präsent, als Religionsgemeinschaft offiziell anerkannt sind sie seit 2009. Verbesserungen bei der Gedenkkultur würde Vorstand Johann Zimmermann begrüßen, sagte er gegenüber der APA. Etwa, was ein Mahnmal für die in der NS-Zeit verfolgten „Bibelforscher“ betrifft.
In Deutschland haben die Bundestagsfraktionen einstimmig einen Antrag vorgelegt, der ein Mahnmal für die im Nationalsozialismus verfolgten und ermordeten Zeugen Jehovas (auch: Jehovas Zeugen) fordert. „Wir sehen sehr wohlwollend, was in unserem Nachbarland geschieht und könnten uns vorstellen, dass das auch in unserem Land eine gute Sache wäre“, so Zimmermann dazu. Gesprächsbereitschaft gebe es auch, was die Teilnahme an dem von der Israelitischen Kultusgemeinde Wien geforderten Holocaust-Zentrum betrifft.
Positive Entwicklungen für die Zeugen Jehovas gab es in den vergangenen Jahren jedenfalls, etwa die lange erkämpfte Anerkennung. „Das war wirklich ein sehr großer Schritt für unsere Religionsgemeinschaft und für unsere Glaubensangehörigen sowie das Religionsrecht in Österreich“, betont deren Vorstand.
Körperschaft öffentlichen Rechts
Sei man vorher in Vereinen organisiert gewesen, sei man nun eine Körperschaft öffentlichen Rechts. „Dass das strukturiert werden konnte, hat alles vereinfacht“, so Zimmermann, der von einem Signal spricht. Man sei dadurch in der Mitte der Gesellschaft angekommen.
Nachdem im August Sprengsätze bei zwei Autos von Zeugen Jehovas im steirischen Leibnitz kurz nach Ende eines Gottesdiensts detoniert waren, ermittelt die Polizei nach wie vor. Es gebe „leider noch überhaupt keine neuen Informationen“, berichtet Zimmermann. Der Vorfall habe natürlich ausgelöst, „dass man nachdenkt“, was dies zu bedeuten habe, aber: „Wir gehen davon aus, dass das wirklich ein Einzelfall ist“. Gründe, dass man nun das Sicherheitsgefühl und die eigene Freiheit eingeschränkt sieht, gebe es aber keine – „ganz im Gegenteil“.
Vermehrt Anschläge
Sorgen gibt es innerhalb der Glaubensgemeinschaft der Zeugen Jehovas dennoch, denkt man etwa an den Anschlag auf Mitglieder in Hamburg, bei dem sieben Menschen getötet wurden sowie den Brandanschlag in Leibnitz. „Das hat es in dieser Form seit dem Zweiten Weltkrieg nicht mehr gegeben“, so Zimmermann. „Ob das jetzt so zu erklären ist, dass es eine Häufung ist, das kann ich derzeit nicht beurteilen“, meint er aber.
Menschen „freundlicher“
Teils nehme man aber auch positive Entwicklungen wahr, so Zimmermann: „Was ich sehe und und was unsere Glaubensangehörigen erleben, wenn sie zum Beispiel in der Ausübung ihrer Mission sind, also etwa an den Türen der Nachbarn: dass da sehr viel mehr Freundlichkeit zu finden ist.“ Früher seien die Menschen in ihren Reaktionen „robuster und vielleicht in einer Form direkter“ gewesen, formuliert es der Vorstand. Nun gebe es einen weit freundlicheren Umgang miteinander, „das kann man sicher positiv feststellen“.
Im Gegensatz zu vielen christlichen Kirchen verzeichnen die Zeugen Jehovas sogar einen Anstieg bei den Mitgliedern und zwar zuletzt um zwei Prozent. Denn auch bei der Mission habe die Anerkennung Vorteile gebracht, berichtet Zimmermann. So sei man im öffentlichen Raum präsenter: „Das ist für uns ein ganz wesentliches Merkmal, dass wir gerne mit anderen ins Gespräch kommen, gerade auch in einer Zeit, in der Religion immer mehr ins Private rückt.“