Samstag, 11. März 2023

VERFOLGUNG - Amoktat Hamburg / 9. März 2023


NACHRICHTEN IN EINFACHER SPRACHE:



Als Michael Tsifidaris, der Sprecher der Zeugen Jehovas in Hamburg und Altona, auf der Pressekonferenz der Polizei das Wort ergreift, wird deutlich, welches Grauen sich am Vorabend im „Königsreichsaal“ der Reli­gions­gemeinschaft abgespielt hat.


 
AMOKLAUF BEGANN NACH GOTTESDIENST:
 
Der Amoklauf in einem Hamburger Versammlungsgebäude der Zeugen Jehovas begann nach Angaben eines Sprechers der Glaubensgemeinschaft nach dem regulären Gottesdienst am Donnerstag. Dieser habe um 19.00 Uhr angefangen und sei digital übertragen worden. 36 Menschen seien vor Ort gewesen, weitere 25 hätten sich digital zugeschaltet, sagte Michael Tsifidaris, Sprecher der Zeugen Jehovas in Norddeutschland, am Freitag. Um 20.45 Uhr sei die Veranstaltung beendet worden, vermutlich auch der Live-Stream. "Man befand sich in den Gesprächen nach dem Gottesdienst."

Dann habe der Anschlag begonnen. Eine Besucherin sei bereits auf dem Nachhauseweg gewesen, als der Täter nach Angaben der Polizei zehn Schüsse auf ihr Auto auf dem Parkplatz am Gebäude abgab. Die Frau habe mit dem Wagen leicht verletzt flüchten und sich bei der Polizei melden können, sagte der Leiter der Schutzpolizei, Matthias Tresp

  
SCHOCK UND TRAUER IN HAMBURG:

Schon um 21.09 Uhr war eine Beweis­sicherungsfestnahmeeinheit der Polizei vor Ort am Gemeindehaus im Hamburger Stadtteil Groß Borstel, die speziell für Amoklagen geschult ist. Die Beamten hätten erkannt, dass sofort gehandelt werden müsse und sich Zugang zum Gebäude verschafft, indem sie in die Türscheibe zerschossen hätten, berichtet der Chef der Schutzpolizei Matthias Tresp.
 
Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) war am späten Freitagnachmittag nach Hamburg gereist um Opfern, Angehörigen, Freunden und Bekannten ihr Mitgefühl auszusprechen. Es sei „kaum in Worte zu fassen, was hier Furchtbares passiert ist“, sagte Faeser bei einem Besuch am Tatort. Den Verletzten wünschte sie „baldige Genesung“.
 
Die SPD-Politikerin zeigte sich nach einem Gespräch mit Vertreterinnen und Vertretern beteiligter Einsatzkräfte vor Ort „tief bewegt“. Zugleich sei sie „tief beeindruckt, wie großartig dieser Einsatz hier funktioniert hat“. Indem Polizei und Spezialeinsatzkräfte so schnell vor Ort gewesen seien, hätten sie vielen Menschen das Leben gerettet, sagte Faeser.

 
ENTSETZEN IN DER GEMEINDE:
 
Der Täter war am Donnerstagabend nach oben in den ersten Stock geflüchtet, wo die Polizei ihn tot am Boden liegend mit einer Faustfeuerwaffe gefunden hätten. Im Saal waren bei den Schüssen zuvor sieben Menschen getötet worden, darunter eine hochschwangere Frau in der 28. Woche. Acht weitere Menschen wurden verletzt, vier von ihnen schwer.

Tsifidaris erklärt, wie entsetzt die Gemeinde von dem Vorfall sei. Er bedankt sich für den schnellen Einsatz, der vermutlich verhindert habe, dass es noch mehr Tote gebe. Man wolle am Montag alle Helfer zu einem runden Tisch einladen. Ähnlich fassungslos äußerte sich auch der Sprecher der Zeugen Jehovas Deutschland. „Wir sind tief schockiert und betroffen von der Amoktat auf unsere Glaubensangehörigen“, sagte Martin Epp der taz. „Unser Mitgefühl und tiefste Anteilnahme gelten den Familien der Opfer sowie den traumatisierten Augenzeugen. Wir beten für alle Betroffenen.“
 
Der Attentäter war Mitglied der Zeugen Jehovas, hatte die Religionsgemeinschaft vor einiger Zeit aber verlassen. Brisant ist, dass er Besitzer einer Sportwaffe war und die mutmaßliche Tatwaffe Heckler & Koch P30 legal besaß, den Waffenschein hatte er erst im Dezember bekommen. Wie Hamburgs Polizeipräsident Ralf Meyer berichtet, gab es im Januar eine anonyme Warnung, dass der Täter psychisch beeinträchtigt sei und Wut auf religiöse Anhänger wie die Zeugen Jehovas habe.
 
Die zuständigen Beamten statteten dem 35-Jährigen noch am 7. Februar einen unangemeldeten Hausbesuch ab. Dort soll die Waffe aber ordnungsgemäß in Tresor gelegen haben. Es hätten keine Gründe vorgelegen, die ein psychologische Gutachten hätten erzwingen können, sagte Meyer. Möglich, dass nach dieser Tat die rechtlichen Befugnisse „angepasst“ werden müssten.
 


 
EIN NAHER VERWANDTER BERICHTET: 
 
Als Philipp F. in Kempten aufgewachsen sei, hätten Familienmitglieder zur Gemeinde der Zeugen Jehovas gehört.

Nach Angaben aus seiner Verwandtschaft hat der mutmaßliche Amokläufer Anzeichen religiösen Wahns gezeigt. „Er ist komplett einem religiösen Wahn verfallen, hatte Visionen, fühlte sich verfolgt“, sagte ein naher Verwandter, der regelmäßig Kontakt mit dem Attentäter hatte, der „Augsburger Allgemeinen“. 

Philipp F. sei mit Anfang 20 aus beruflichen Gründen nach Hamburg gezogen und dort Jahre später erneut mit Zeugen Jehovas in Kontakt gekommen. 2020 schloss sich F. den Zeugen Jehovas in Hamburg an, verließ die Religionsgemeinschaft aber nach eineinhalb Jahren sei er wieder ausgetreten – „und dann in kompletten Wahn verfallen“.
 
Nach dem Austritt bei den Zeugen Jehovas im Sommer 2022 habe er ihn zum letzten Mal persönlich getroffen, sagte der Mann. Er sei dabei „hochaggressiv aufgetreten, als „Maniac“ und „Pseudomanager“. „Das hatte nichts mehr mit dem Menschen zu tun, den ich kannte.“ Zu seinem Umfeld in Hamburg wisse er wenig – er habe aber das Gefühl, „dass da einiges passiert ist, was nicht nur mit den Zeugen Jehovas zu tun hat.“
 
Nach eigener Auskunft versuchte er zuletzt im Januar, Philipp F. zu kontaktieren. Eine Textnachricht sei aber unbeantwortet geblieben. „Er wollte seinen eigenen Wahn und seine Erkrankung nicht wahrhaben.“ Dass Philipp F. einen Waffenschein gehabt habe, habe er nicht gewusst. Es habe auch keinerlei Anzeichen dafür gegeben, dass er gewalttätig werden könnte.


DAS SAGT EIN VERWANDTER ZUM MOTIV:

Nach dem Austritt bei den Zeugen Jehovas änderte sich auch das Verhalten von Philipp F., sagt der Verwandte: „Von Gewalt war nicht die Sprache. Aber er war, wie gesagt, sehr aggressiv. Ich weiß, dass er eine Art Betrugsvorwurf an die Gemeinde formuliert hat, nämlich dass man ihn getäuscht habe – dass das die heile Welt wäre und sie es nicht war." 


EIN ÜBERLEBENDER ZEUGE JEHOVAS BERICHTET:

Hansen, seine Frau und weitere Personen seien in einen Heizungsraum geflüchtet, schreibt die Wochenzeitung. Er habe die Tür zugehalten, alle hätten laut Gebete gesprochen, während Philipp F. draußen insgesamt 135 Schüsse abgab – den letzten gegen sich selbst.

Die ersten Polizisten waren wenige Minuten nach den ersten Notrufen vor Ort. Innensenator Andy Grote hatte am Mittwoch gesagt, dass sie teils ohne Schutzausrüstung das Gebäude gestürmt hätten. Der Augenzeuge Hansen und die weiteren Personen aus dem Heizungsraum seien von der Polizei aus ihrem Versteck befreit worden. Draußen habe es überall Blaulicht gegeben, die Überlebenden seien in einen Feuerwehrbus gebracht worden.

ÜBERLEBENDER ZEUGE JEHOVAS WILL VERGEBEN:
Im Innern des Busses: Gemeindemitglieder, die weinen und schluchzen. "Dann sahen wir uns um, sahen die leeren Sitze und wussten genau, wer fehlt", zitiert ihn "Die Zeit". Heute verspüre er eine "unheimliche Trauer", Ohnmacht und auch Wut.

Er wolle sich nun auf Vergebung konzentrieren, so wie es in der Bibel stehe. "Das heißt nicht, dass ich seine Tat gutheiße, sondern dass es mir dadurch gelingen kann, an der Tat nicht zu verbittern", wird der Mann zitiert. Die Überzeugung, seine getöteten Freunde irgendwann wiederzusehen, gebe ihm Hoffnung.



SO WIRR WAR DAS WELTBILD DES AMOKLÄUFERS


DIE HOMEPAGE DES AMOKTÄTERS: 
 
Laut seiner eigenen Homepage wurde er am 1987 in Memmingen geboren und wuchs in Kempten im Allgäu auf. Demnach war seine Familie „streng evangelisch“. Die Zeugen Jehovas erwähnt er nicht.

Neben seinem angeblich schillernden Lebenslauf verweist er auf seiner Homepage außerdem auf ein englischsprachiges Buch, das er selbst verfasst haben will. Darin schreibt er von seiner „persönlichen Höllenreise“ über drei Jahre und „prophetischen Träumen“, die er gehabt habe. Es gehe um die angebliche „Wahrheit über Gott, Jesus Christus und Satan“. Philipp F. behauptet, er habe „das Geheimnis des 1.000-jährigen Reiches Christi enthüllt". 

Wie t-online berichtet, schrieb er wenige Stunden vor der Tat auf LinkedIn, dass sich sein Buch sehr gut verkaufe, kein Exemplar sei zurückgegeben worden. 

Das ist aber nicht die einzige Veröffentlichung, die auf Philipp F.s Webseite zu finden ist. Es gibt auch mehrere Artikel und „White Paper“ über Führung, Erfolg und gesellschaftliche Themen. Die Zahl der Buchrezensionen und Sterne-Bewertungen bei Amazon spricht allerdings eine andere Sprache: Bis Freitagmittag gab es keine einzige. So erfolgreich wie von F. behauptet, wird sich das Buch also wohl kaum verkauft haben.
 
Auf seiner Homepage veröffentlichte er auch einige Publikationen. Sie geben einen Einblick in den Kopf des Mannes und seine Denkmuster. Er schreibt darin über Satan und zitiert Psalm-Verse, aber auch über E-Mobilität und Elon Musk als einen der "klügsten Menschen auf dem Planeten" und er ordnet Menschen in Hierarchien ein.

Wer den angeblichen Berater engagieren wolle, müsse tief in die Tasche greifen. Auf seiner Webseite behauptet er, sein Honorar liege bei aberwitzigen 250.000 Euro pro Tag plus Mehrwertsteuer. „Das Honorar beinhaltet den Fakt, dass meine Arbeit Ihnen einen Mehrwert von mindestens 2,5 Millionen Euro einbringt“, ist als Erklärung zu lesen

 
PHILIPP F. SPRICHT ALS "PROPHET" - SO WIRR WAR SEIN WELTBILD

Vor der Tat schrieb Philipp F. – wie viele andere Amoktäter – ein Buch. Auf über 300 Seiten liefert der gebürtige Bayer laut eigenen Angaben eine "hochaktuelle Sicht über Gott, Jesus Christus, Satan und die Menschheit". Auf seiner Website stellt er sein Werk kurzerhand auf eine Stufe mit der Heiligen Schrift: "Das ist ein Buch, das die Sicht auf die Welt verändern wird und ein neues Standardwerk neben der Bibel und dem Koran sein wird. Ein Buch, das auch in 100 Jahren noch gültig sein wird." Einmal prophezeit er eine „große Veränderung in der Architektur der Welt“. „Es wird eine Anpassung an die Architektur der höheren Welt (Himmel) geben, wo Geister leben. 

Das Buch zeugt auch von einem verqueren Geschichtsbild und von einem offenen Antisemitismus. Den Holocaust bezeichnet er etwa als "Akt des Himmels" und "Rache von Jesus Christus an der jüdischen Gemeinde, die ihn nicht als Sohn Gottes anerkennen wollte". Adolf Hitler bezeichnet er als "den Vollstrecker von Jesus Christus". Durch das Buch zieht sich zudem die Kritik an institutionalisierter Religion: "Bei der Kirche dreht sich alles nur um Geld und Macht. Priester interpretieren die Worte Gottes für ihre eigenen Zwecke", schreibt Philipp F.

An anderer Stelle nennt er Hitler und Putin wohlwollend gemeinsam: Beide hatten oder hätten Gottes Gunst. Putin sei auch einer der wenigen Staatsmänner, die öffentlich für die Werte Gottes einträten. 

Für Zeugen Jehovas muss das ein Schlag ins Gesicht sein. "Ich kann mir vorstellen, dass so etwas dort völlig untragbar ist und zum Konflikt führen muss", sagt Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor, innen- und religionspolitische Sprecherin der Grünen. "Er schreibt, dass Putin unter Gottes Schutz steht, während die Zeugen Jehovas zugleich beklagen, dass die Gemeinschaft dort verfolgt wird."

Über Frauen beklagt sich Philipp F. in seinem Buch, ihr Verhalten habe sich "drastisch zum Schlechten verändert"; Männer seien die "Krone der menschlichen Schöpfung", während Frauen ihre "dekorative Rolle" einnehmen müssten. 

In der Danksagung zieht Philipp F. einen Vergleich zu König Salomo: "Wie König Salomo habe auch ich Einblicke in die verschiedenen Lebensbereiche erhalten und bin von Gott mit diesem Werk gesegnet worden." Dann erwähnt er im Vorwort einen Vorfall, nach dem er ein Bedürfnis nach geistigen Werten entwickelt habe. Träume und sogar Albträume seien plötzlich in sein Leben zurückgekehrt, gefolgt von Eingebungen verschiedenster Art, einschließlich prophetischer Träume: "Es scheint, als ob Gott sich persönlich gezeigt hat, um die Wahrheit ans Licht zu bringen." Zudem habe er eine persönliche Reise in die Hölle unternommen, die über drei Jahre dauerte.

"In der Danksagung lassen sich rechthaberische und querulantische Tendenzen erkennen", sagt Thomas Knecht, forensischer Psychiater und leitender Arzt in der Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie in Herisau. Der Selbstvergleich mit König Salomo zeuge zudem von Selbstgerechtigkeit: "König Salomo spielt in der Bibel die Rolle des Königs, der eigene Urteile fällt, fern von aller bestehenden Gerechtigkeit." Ebenso lasse sich aus den Aussagen ableiten, dass Philipp F. sich als auserwählte Person Gottes sieht: "In der Bibel heißt es: Wenn Gott liebt, dann straft er. Damit legitimiert er eine bevorstehende schwere Straftat."

Einen "christlich-apokalyptischen Dualismus" sieht Michael Blume, Religions- und Politikwissenschaftler: "Der Autor meint, ganz alleine letzte Wahrheiten über Gut und Böse, Gott, Jesus und Satan zu verkünden." Damit stehe Philipp F. auch im Widerspruch zur Praxis der Zeugen Jehovas, die neue Lehren nur kollektiv im Namen der Wachturm-Gesellschaft verkündeten.

Blume, der auch zum Extremismus des sogenannten Islamischen Staats als Gerichtsgutachter aufgetreten ist, sagt, "ohne den Ermittlungen vorzugreifen, dass sich der Autor dieses Textes sehr weit auch gegen christliche und andersglaubende Gruppen radikalisiert und eine Endzeit erwartet hat". Wie Hitler und Putin als Werkzeuge Gottes gepriesen und Holocaust und Corona-Pandemie als göttlich gewollt dargestellt würden, "ist wirklich schwer erträglich".

Das ist fast genau der Wortlaut, mit dem auch Michael Tsfidaris die Passagen kommentiert, regionaler Beauftragter der Zeugen Jehovas für Hamburg und umliegende Bundesländer. "Das ist mit unseren Überzeugungen überhaupt nicht vereinbar." t-online hat ihn mit Zitaten konfrontiert, er selbst habe sie bislang nicht gekannt und von dem Buch auch erst nach der schrecklichen Tat erfahren.

 
  



PSYCHISCHE PROBLEME - PHILIPP F. NAHM KONTAKT ZU ÄRZTEN AUF:
 
Bereits 2019 habe das Umfeld des späteren Täters eine Wesensänderung bei Philipp F. festgestellt, nachdem dieser seine Beziehung beendet und seinen Arbeitsplatz verloren habe, sagte Hieber. Er habe dann selbst Kontakte zu Ärzten aufgenommen, "um seine psychischen Probleme in den Griff zu bekommen", und sei zwischenzeitlich auch in Bayern in stationärer Behandlung gewesen.

Der Vater des Hamburger Amok-Schützen Philipp F. hat sich bereits 2021 wegen psychischer Probleme seines Sohnes an die Behörden gewandt. Der Vater habe den Sozialpsychiatrischen Dienst angerufen und gesagt, dass sein Sohn Stimmen höre und sich umbringen wolle, nach einem Gespräch mit dem Sohn seien jedoch keine weiteren Maßnahmen für nötig befunden worden.





PARALLELEN ZU RECHTSTERRORISTISCHEN ATTENTÄTERN:

Das sich in dem Buch von Philipp F. aufzeigende Weltbild weist zahlreiche Parallelen zur Ideologie vieler rechtsterroristischer Attentäter der letzten Jahre auf. Anders Behring Breivik, der 2011 insgesamt 77 Menschen bei einem Zeltlager der sozialdemokratischen Arbeiterpartei in Norwegen ermordete, hielt sich etwa für einen Nachfolger der christlichen Tempelritter, der Europa beschützen müsse. Festgehalten hatte Breivik das alles in einem mehr als 1500 Seiten umfassenden Manifest. Auch die Attentäter von Halle und Hanau verfassten Schriften, in denen sie sich erklärten, nahmen teils aufeinander Bezug. Stephan B., der in Halle eine Synagoge stürmen wollte und am Ende zwei Menschen tötete, bezog sich in seiner Erklärung auf Brenton T., der 2019 im neuseeländischen Christchurch zwei Moscheen überfiel und 51 Menschen tötete. T. wiederum schrieb damals in seiner Erklärung, Breivik sei für ihn eine »wahre Inspiration« gewesen.

Persönlich gekannt haben sich die Täter alle nicht, wenngleich sie ähnliche völkischrassistische Theorien und Verschwörungserzählungen teilten. Ein zentrales Element dabei ist immer der Hass auf alles, was sie als liberal in der Gesellschaft wahrnahmen, insbesondere Feminismus. Für Philipp F. handelten selbstständige Frauen gegen Gottes Willen; für Breivik sei durch den Feminismus die angebliche »Machtbalance« zwischen Männern und Frauen zerstört worden.

"Der theologische Text des Täters von Hamburg gibt erschreckende Einblicke in seine Gedankenwelt: Homophobie gepaart mit einer Fixierung auf ein düsteres, von Gewalt und Brutalität bestimmtes Gottesbild, Geschichtsrevisionismus und massivem Antisemitismus", schrieb die Islamwissenschaftlerin und Bundestagsabgeordnete Lamya Kaddor (Die Grünen) bei Twitter.


EIN MANN IM BLICK DER BEHÖRDEN:

Der Hass, mit dem der mutmaßliche Täter sieben Menschen und schließlich sich selbst tötete, kam nicht aus dem Nichts. Im Januar habe ein anonymer Hinweisgeber die Waffenbehörde auf Philipp F. besondere Wut auf religiöse Anhänger, besonders gegenüber den Zeugen Jehovas aufmerksam gemacht, sagt Hamburgs Polizeipräsident Ralf Martin Meyer am Freitag. Außerdem: Wieder ist der mutmaßliche Täter Sportschütze.
 
Nur einen Monat vor dem Hinweis hatte der 35-Jährige die Waffenbesitzkarte erhalten und sich eine halbautomatische Pistole gekauft. Der Tippgeber aus dem Januar sorgt sich offenbar, befürchtet eine psychische Erkrankung, mit der sich Philipp F. seinen Angaben zufolge aber nicht behandeln lässt. Und er hält es angesichts des Waffenbesitzes wohl für nötig, die Behörden vor Philipp F. zu warnen - spätestens da ist der Mann auf dem Radar.
 
Der Fall erinnert an das Attentat von Hanau, wo ein psychisch kranker Rechtsextremist, der als Sportschütze legal Waffen besaß, 2020 aus rassistischen Motiven neun Menschen mit Migrationshintergrund getötet hatte. Anschließend erschoss er seine Mutter und tötete dann sich selbst.
 
Obwohl der spätere Attentäter extremistische Gedanken hegte und Wahnvorstellungen hatte, was auch aus Briefen, die er an offizielle Stellen schrieb, hervorging, war ihm der Waffenbesitz nicht untersagt worden. Der damalige Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) warb nach dem Anschlag für eine Reform des Waffenrechts, damit psychisch Kranke keinen Zugang zu Waffen mehr haben. Er konnte sich in diesem Punkt jedoch, auch wegen komplexer Fragen zu Datenschutz und ärztlicher Schweigepflicht, damals nicht durchsetzen.



TATMOTIV


GUTACHTEN:

DER ERSTE GUTACHTER nennt Täter „religiösen Fanatiker“. Das plausibelste Tatmotiv sei „Hass auf christliche Religionsgemeinschaften“, heißt es laut einer Mitteilung des Magazins „Der Spiegel“ vom Dienstag in der Analyse des Extremismusforschers Peter Neumann für die Hamburger Polizei.

DAS BUCH VON PHILIPP F.: „Für mich ist das ein ziemlich wirres Buch, ich könnte keine extremistische Ideologie identifizieren, die sich damit beschreiben lässt.“

Der Hass des Autors, der sich von den Zeugen Jehovas abgewandt hatte, richte sich auch nicht speziell gegen diese Religionsgemeinschaft. Die Zeugen Jehovas würden nicht einmal erwähnt. 


Hinweise auf geplante Attentate fänden sich in dem rund zweieinhalb Monate vor der Tat veröffentlichten Buch allerdings ebenso wenig wie Gewaltaufrufe, sagte Neumann dem „Spiegel“. Es sei daher kein „Manifest“, wie es Täter in ähnlichen Fällen schon hinterlassen hätten. Ohne Kenntnis der späteren Ereignisse sei es sogar unmöglich, daraus auf einen bevorstehenden Angriff auf Zeugen Jehovas zu schließen. Die Religionsgemeinschaft der Jehovas Zeugen komme in dem Buch von Philipp F. gar nicht vor.


Der Hamburger Amokschütze hatte offenbar eine narzisstische Persönlichkeitsstörung. Dies geht aus einem ZWEITEN EXPERTEN-GUTACHTEN hervor, das die Ermittler zur Amoktat in einem Hamburger Königreichssaal der Zeugen Jehovas in Auftrag gegeben hatten. „Zeit online“ hatte zuerst über das Gutachten des Psychiaters Christoph Lenk berichtet.
Grundlage für seine Einschätzung ist das Buch, das der mutmaßliche Täter Philipp F. im Dezember 2022 veröffentlicht hatte. Allein aus dem Buch lasse sich den Informationen zufolge aber keine Gefährdung für die Allgemeinheit ableiten. 

Gutachter Lenk spricht den Informationen zufolge in Bezug auf Philipp F. von einem normal intelligenten Menschen, der sehr wahrscheinlich eine kombinierte Persönlichkeitsstörung vorwiegend mit narzisstischen Anteilen hatte. Neben der narzisstischen Störung hinterlässt F. dem Gutachten zufolge das Bild eines religiös verblendeten Menschen, der geglaubt habe, für die komplexen Probleme unserer Welt einfache Lösungen zu finden. Dennoch soll er der Einschätzung zufolge in vollem Bewusstsein gehandelt haben.
Rückschlüsse auf rechtsextreme Gesinnungen oder frauenfeindliche Motive ließen sich dagegen nicht ziehen, schrieb der in London lehrende Experte für Terrorismus und Extremismus laut "Spiegel" in seinem elfseitigen Gutachten für die Polizei in der Hansestadt.



WAFFENGESETZ


WARUM DÜRFEN MENSCHEN EINE WAFFE ZU HAUSE HABEN?
 
Der Mann, der am Donnerstagabend sieben Menschen tötete, darunter ein Ungeborenes im Bauch der Mutter, und der sich schließlich selbst das Leben nahm, war politisch arg verblendet und hatte offenkundig psychische Probleme. Aber er hatte auch eine halbautomatische Waffe und war Inhaber einer Waffenbesitzkarte.
 
Man kann solche Tragödien natürlich als großes Unglück oder schrecklichen Schlag des Schicksals beklagen – und damit zugleich abheften. Man kann sich aber auch fragen, welche strukturellen Probleme hinter solch einer Tragödie stecken könnten. Wie fast immer nach Amokläufen wirft auch dieser die Frage nach dem Waffenrecht in Deutschland auf. Nur weil es andere Länder wie die USA gibt, in denen es noch viel, viel leichter ist, zum Waffenbesitzer zu werden, heißt das nicht, dass die Regelung in Deutschland gut ist.
 
Für mich gibt es jedenfalls keinen Grund, warum irgendjemand eine Waffe bei sich zu Hause haben muss. Wer sie beruflich benötigt oder meint, aus dem Schießen einen Sport machen zu müssen, kann sie gern am Dienstort oder der Sportstätte bekommen und nach verrichteter Tätigkeit wieder abgeben. Also: Können wir privaten Waffenbesitz bitte hinter uns lassen?

 





MEDIZINISCHE VERSORGUNG DER OPFER


WIR ARBEITEN MIT ÄRZTEN, DIE BLUTFREI BEHANDELN:
 
Die Glaubensgemeinschaft lehnt Blutspenden ab. Wie werden die Verletzten also behandelt? Ein Sprecher nimmt Stellung.
 
Jehovas Zeugen wünschen sich die bestmögliche Medizinische Behandlung, wie wahrscheinlich jeder andere auch. Thema Bluttransfusionen: Das dürfte kein Thema sein, weil wir mit kooperativen Ärzten und Krankenhäusern zusammenarbeiten, die blutfrei behandeln. Die Frage der Behandlung oder der Komponenten dabei trifft jeder Zeuge Jehovas für sich selbst.





VERLETZTE NACH AMOKLAUF IN HAMBURG AUSSER LEBENSGEFAHR:

Eine Woche nach dem Amoklauf in einer Hamburger Kirche der Zeugen Jehovas sind nach Angaben der Gemeinde alle acht Schwerverletzten außer Lebensgefahr. „Das ist die schönste Nachricht dieses Tages, in der Tat, die uns auch das erste Lächeln auf die Lippen zaubert“, sagte Michael Tsifidaris, Sprecher der Zeugen Jehovas für die Region Norddeutschland, heute im Norddeutschen Rundfunk (NDR).


JEHOVAS ZEUGEN NEHMEN HILFE IN ANSPRUCH:


 

REAKTIONEN ZUR AMOKTAT


Der Bundeskanzler und ehemalige Erste Bürgermeister Hamburgs, Olaf Scholz, sprach von einer „brutalen Gewalttat“ und „schlimmen Nachrichten aus Hamburg“. 

 

Der Hamburger Bürgermeister Peter Tschentscher drückte auf Twitter sein tiefstes Mitgefühl für die Angehörigen der Opfer aus und bezeichnete die Berichte über den Vorfall als „schockierend“. 

 

Auch Innenministerin Nancy Faeser und der Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bekundeten ihr Beileid mit den Opfern und ihren Familien. 

 

Frankreichs Staatspräsident Emmanuel Macron bekundete sein Beileid für die „deutschen Freunde“. Ylva Johansson, EU-Kommissarin für Inneres, dankte den Polizeikräften, die unverzüglich und mit „unglaublicher Tapferkeit“ reagiert hätten. Auch die US-Regierung verurteilte die Tat als „sinnlosen Akt von Gewalt“. 

 

Die Zeugen Jehovas zeigten sich auf ihrer Website „tief betroffen“ über die tödlichen Schüsse in ihrer Hamburger Gemeinde. Sie bekundeten ihr Mitgefühl für die Familien der Opfer und die traumatisierten Augenzeugen. 

 

Die katholische und evangelische Kirche drückten ebenfalls ihr Mitgefühl aus. 




NEWS UPDATE



PRESSEKONFERENZ 10.03.2023:


PRESSEKONFERENZ 14.03.2023


Polizei räumt Kommunikationsfehler ein / Das Buch von Philipp F. (23.03.2023)


Polizei ermittelt gegen Beamten (12.04.2023)


Hamburgs Innensenator unter Druck (13.04.2023)


Generalbundesanwalt übernimmt Ermittlungen (28, 29.04.2023)





NACH DEM AMOKLAUF IN HAMBURG


Der Sprecher der Zeugen Jehovas, Michael Tsifidaris, sagte dem NDR Hamburg Journal: "Stand Sonntagnachmittag (12.03.2023) sagen uns die behandelnden Ärzte, dass die Schwerverletzten in stabilem Zustand seien". Sie befänden sich auf der Intensivstation: "Und wir alle wissen, dass sie noch nicht über den Berg sind. Wir beten sehr und hoffen sehr, dass diese Schwerverletzten das überleben. Aber wir können das heute noch nicht endgültig bestätigen." Nach dem letzten Stand waren vier von ihnen lebensgefährlich verletzt.

Die 47 Gemeinden der Zeugen Jehovas in Hamburg veranstalten auf Anraten der Sicherheitsbehörden ihre Gottesdienste digital. Sie seien gerade von zentraler Bedeutung, sagte Tsifidaris: "Das ist in diesen Stunden so wichtig, dass man gemeinsam weinen kann, gemeinsam beten kann, sich physisch umarmen kann." Die Resonanz aus dem In- und Ausland sei "überwältigend". "Wir bekommen viele Nachrichten, Hilfsangebote, Briefe. Das tut gut, das zu sehen."

Hamburgs evangelische Bischöfin Kirsten Fehrs hielt am Sonntagvormittag während eines Gottesdienstes im Lübecker Dom Fürbitte für die Opfer des Amoklaufs. "Tief erschüttert stehen wir vor den Ereignissen am vergangenen Donnerstag in Hamburg. Trauer und Schmerz, Klage und Entsetzen - all das bewegt uns zutiefst", sagte die Bischöfin laut Mitteilung der Nordkirche in ihrer vorab veröffentlichten Fürbitte. "Voller Mitgefühl denken wir an all jene, die in der Tatnacht ihre Lieben verloren haben", so Fehrs.





ONLINE-GOTTESDIENST REICHT BIS IN DIE KLINIK:

Halt gebe ihnen derzeit vor allem die Gemeinde selbst. So habe am vergangenen Abend ein Gottesdienst stattgefunden, zu der sich nicht nur 1500 Gäste, sondern auch einige der Verletzten aus der Klinik zugeschaltet haben. "Das war sehr bewegend", erzählt der Gemeindesprecher. Nicht nur die Gemeindemitglieder stehen den Verletzten bei, so Tsifidaris. Der Kontakt in die Klinik stärke auch die traumatisierten Angehörigen.



TRAUERFEIER


ÖKOMÄNISCHE VERANSTALTUNG:

An einer ökumenischen Trauerfeier für die Opfer der Amoktat in Hamburg wird die Gemeinschaft der Zeugen Jehovas nicht teilnehmen. "Ich finde es gut, wenn andere Glaubensgemeinschaften ihre Solidarität mit uns bezeugen", sagte der Sprecher der Zeugen Jehovas in Norddeutschland, Michael Tsifidaris, dem "Hamburger Abendblatt". "Eine offizielle Teilnahme von Jehovas Zeugen wird es jedoch nicht geben."
Die katholische und evangelische Kirche sowie die Arbeitsgemeinschaft Christlicher Kirchen (ACK) wollen am Sonntag (19.03.2023) in der Hamburger Hauptkirche St. Petri der Opfer gedenken. An der Feier will auch Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) teilnehmen. Die Zeugen Jehovas seien eingeladen worden, hieß es von den Veranstaltern.





EIGENE GEDENKFEIER GEPLANT:

Laut "Hamburger Abendblatt" planen die Zeugen Jehovas eine eigene Gedenkfeier. Ort und Termin stünden noch nicht fest. "Wir stellen sicher, dass die Betroffenen sich in ihrer Gemeinde in dem religiösen Verständnis von den Toten verabschieden können, wie es bei den Zeugen Jehovas üblich ist", sagte Tsifidaris.
Bei Bekanntwerden der Planungen für die ökumenische Trauerfeier hatte sich der Sprecher der Zeugen Jehovas zunächst beklagt, seine Gemeinschaft sei nicht in die Planungen einbezogen. Nun sprach er der Zeitung zufolge von einer "Kommunikationspanne".


TRAUERFEIER DER ZEUGEN JEHOVAS IN DER SPORTHALLE HAMBURG:

Am Samstag 25.03.2023 Veranstalten Jehovas Zeugen eine Trauerfeier für die Opfer und ihre Angehörigen des Amoklaufes vom 9. März. Um 15 Uhr soll die Gedenkfeier in der Sporthalle Hamburg in Alsterdorf beginnen. Neben den 53 Hamburger Gemeinden der Zeugen Jehovas sind zudem Vertreter aus Politik und Behörden eingeladen. Erwartet werden auch ranghohe Vertreter der Glaubensgemeinschaft. Auch Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) wird demnach teilnehmen. Für weitere Gäste sei der Zutritt aus Platzgründen nicht möglich. Man prüfe zudem derzeit eine TV-Übertragung.


"Wir sind der Stadt Hamburg und insbesondere dem Ersten Bürgermeister, Herrn Dr. Tschentscher, sehr dankbar, dass wir mit der Alsterdorfer Sporthalle eine passende Örtlichkeit in der Nähe der betroffenen Gemeinde finden konnten", erklärt Michael Tsifidaris, Sprecher von Jehovas Zeugen in Hamburg. 





AMOKTAT HAMBURG - Trauerfeier der Zeugen Jehovas (SAT1 - 27.03.2023)




SPEKULATIONEN


STIFTUNGEN WARNEN VOR SPEKULATIONEN ZUM AMOKLAUF:


Wir stehen an der Seite der Zeugen Jehovas, die am Abend des 9. März 2023 in ihrer Hamburger Gemeinde mit brutaler Gewalt angegriffen wurden. Wir fühlen mit den Verletzten, mit der Mutter des ermordeten ungeborenen Kindes, mit den Familien und Freunden der Ermordeten. Wir gedenken der sieben Menschen, deren Leben an diesem Abend grausam ausgelöscht wurde.

Die Ermordeten waren Teil einer christlichen Glaubensgemeinschaft, die in Geschichte und Gegenwart immer wieder gewaltsam angegriffen und verfolgt wurde und wird. Jehovas Zeugen waren die erste Religionsgemeinschaft, die von den Nationalsozialisten verboten wurde. Die Nationalsozialisten ermordeten etwa 1.800 Zeugen Jehovas, weil sie den Kriegsdienst und den Führerkult verweigerten, christlichen Widerstand gegen die Terrordiktatur leisteten und anderen Verfolgten beistanden. Auch unter kommunistischer Gewaltherrschaft in der DDR und Osteuropa kamen Hunderte Zeugen Jehovas ums Leben, Tausende in Haft. 1994 wurden 400 Zeugen Jehovas in Ruanda ermordet, weil sie sich dem Völkermord entgegenstellten. In der Russischen Föderation werden Zeugen Jehovas heute verfolgt, entrechtet, misshandelt. Mehr als 100 befinden sich in Gefängnissen und Straflagern.

Politik, Gesellschaft und Medien in der Bundesrepublik haben eine historische Verantwortung gegenüber Jehovas Zeugen. Im Augenblick der Ermordung von sieben deutschen Staatsbürgern dürfen sich jahrzehntelang gepflegte Vorurteile nicht Bahn brechen. Insbesondere den Medien obliegt eine Sorgfaltspflicht. Ähnlich wie bei anderen Minderheiten ist die Schwelle zu Häme, Hass und Hetze schnell überschritten, wie sich bereits jetzt in den Sozialen Netzwerken, aber auch in einigen Kommentaren der seriösen Presse zeigt.

TATSACHE ist, dass diese Vorurteile durch solide Forschung und in gerichtlichen Verfahren widerlegt wurden. Das Bundesverfassungsgericht hat Jehovas Zeugen den Status einer Körperschaft des öffentlichen Rechts zuerkannt. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat wiederholt die Diskriminierung von Jehovas Zeugen verurteilt.

TATSACHE ist, dass es sich bei Jehovas Zeugen um eine friedliebende, der Gewaltlosigkeit verpflichtete christliche Gemeinschaft handelt, für die Antirassismus seit Jahrzehnten gelebte Wirklichkeit ist.

TATSACHE ist, dass viele der Vorurteile, die sich gegen Jehovas Zeugen als Religionsgemeinschaft sowie gegen die weltweit über acht Millionen, in Deutschland beinahe 200.000 Zeugen Jehovas als Gläubige richten, in Zeiten des antipluralistischen Denkens und der »Volksgemeinschafts«-Ideologie geprägt wurden. Völkische, nationalsozialistische und kirchliche Kreise haben mit ihnen Verfolgung und Gewalt begründet. Auch in der Bundesrepublik wurde jahrzehntelang die Sichtweise auf diese christliche Gemeinschaft von »Experten« dominiert, die keineswegs unbefangen waren und deren eigene Kirchen keinen den Zeugen Jehovas vergleichbaren Widerstand gegen den Nationalsozialismus geleistet hatten.

TATSACHE ist, dass Amoktäter nicht selten Opfer in ihrem persönlichen Umfeld – etwa an ihren (ehemaligen) Schulen – suchen. Es verbietet sich, über einen Zusammenhang zwischen der Glaubensgemeinschaft und den Motiven des Täters zu spekulieren. Die Opfer eines Verbrechens können und dürfen nicht zur Erklärung der Taten eines Verbrechers missbraucht werden. Es verbietet sich, dieses schreckliche Verbrechen als Anlass für vorurteilsbeladene Berichterstattung oder Kommentare über Jehovas Zeugen zu missbrauchen.

Es ist geboten, die Ermittlungen abzuwarten und die Würde der Opfer dieses Verbrechens zu wahren.

Wir fordern alle Bürgerinnen und Bürger und insbesondere Politik und Medien auf, der historischen Verantwortung Deutschlands gegenüber Jehovas Zeugen gerecht zu werden und nicht nur heute dieser christlichen Gemeinschaft ihre Solidarität zu beweisen.

Treten wir alle jedem Vorurteil, jedem Hass, jeder Hetze entgegen. Verteidigen wir die Würde des Menschen, verteidigen wir die Würde jedes einzelnen Zeugen und jeder einzelnen Zeugin Jehovas.



WOLF IM SCHAFPELZ? TÄTER-OPFER-UMKEHR:


Oft geschieht die Rollenumkehr durch Dritte, die anzweifeln, ob die Betroffenen tatsächlich unschuldig sind oder sie nicht auch eine Teilschuld tragen. Teilweise machen sich Täter*innen diese Dynamik auch selbst zu nutze.


So beklagen sich Menschen, die Hass oder Desinformationen im Netz verbreiten, oft über vermeintliche Zensur und Beschränkung der Meinungsfreiheit, wenn ihre Beiträge gelöscht werden. Dass dies geschieht, weil sie gegen die Richtlinien der Plattformen oder sogar gegen geltendes Recht verstoßen, wird ignoriert. Die Hater*innen inszenieren sich als Opfer einer „Meinungspolizei”, dabei sind sie es selbst, die die Meinungsfreiheit gefährden: 

 

Manche Menschen verschieben nicht nur Verantwortungen, sondern erfinden gleich Täter*innen, um sich selbst als Opfer zu stilisieren. Das geschieht beispielsweise, wenn eine angebliche jüdische Weltverschwörung erfunden wird, um antisemitische Haltungen zu rechtfertigen. Aus der selbstinszenierten Opferrolle werden dann antisemitische, oder auch rassistische oder sexistische Angriffe als Gegenwehr legitimiert, obwohl nie eine tatsächliche Bedrohung bestand.  

 

Die Täter-Opfer-Umkehr dient also häufig dazu, Hass und Hetze zu rechtfertigen und Kritik abzuwehren. Gleichzeitig schüchtert dies tatsächlich Betroffene ein.



 
SPEKULATIONEN ZU AMOKATATEN (Auszüge aus einem Bericht von "Target")
 

Spekulationen und Vorannahmen waren häufig wenig fundiert oder einseitig. So tauchen bis heute die falschen Annahmen auf, die Täter seien Mobbingopfer gewesen und deshalb zur Tat motiviert gewesen. Auch soziale Ursachen werden häufig vereinfachend in einen Kausalzusammenhang mit den Taten gebracht. 

 

Erwachsene, die mit einer Amoktat drohen, werden weniger ernst genommen als Jugendliche im schulischen Kontext. Hier bietet auch die internationale Forschung mit empirischen Erkenntnissen Ansatzpunkte für ein Bedrohungsmanagement. Die empirischen Analysen zu erwachsenen Amoktätern zeigen, dass es sich ebenfalls häufig um männliche Einzelgänger handelt, die ebenfalls im Vorfeld Warnhinweise gaben und auf ihre Umwelt bedrohlich, häufig paranoid rechthaberisch und querulatorisch, wirkten. Der Anteil schizophren erkrankter erwachsener Täter (mit Wahnvorstellungen) ist mit über einem Drittel gravierend. Ein weiteres Drittel hat eine paranoide Persönlichkeitsstörung ausgeprägt und auch die anderen erwachsenen Täter sind psychopathologisch auffällig und zeigen häufig narzisstische und paranoide Züge

 

Das bedeutet, sie sind sehr kränkbar und fühlen sich schlecht behandelt und nicht beachtet. Die Täter fühlten sich unverstanden, gedemütigt und gemobbt, was einer realistischen Betrachtung nicht standhielt. Man gewinnt eher den Eindruck, die Täter zogen sich selbst von anderen zurück, werteten diese ab, wiesen Kontaktangebote zurück, waren unzugänglich und ohne jede Empathie für andere. 

 

Kern ihrer Motivlage ist Hass und Groll auf bestimmte Gruppen oder die Gesellschaft als Ganzes, weshalb sie ihre Taten auch oft als Racheakte verstehen. 

 

Bei Erwachsenen werden viele Warnsignale und Andeutungen der Tat häufig nicht ernst genommenoder nur im spärlichen familiären Umfeld registriert. Polizei und Psychiatrie werden in der Regel nicht informiert, auch nicht, wenn die Täter als Sportschützen Zugang zu Schusswaffen haben. Im beruflichen Kontext versucht man, den unangenehmen Mitarbeiter zu kündigen, schaltet aber nicht die Polizei ein. 



PROJEKT TARGET - KRIMINOLOGISCHE ANALYSE VON AMOKTATEN JUNGE UND ERWACHSENE TÄTER VON AMOKTATEN; AMOKDROHUNGEN:



Die Öffentlichkeit wird immer wieder mit schweren Gewalttaten von Einzeltätern konfrontiert. Das Projekt TARGET verglich und analysierte auf nationaler und internationaler Ebene Entwicklungsprozesse, die zu hochexpressiven Gewalttaten führten. Es sollte ein Model entwickelt werden, mit dem ernstzunehmende Drohungen sowie gewaltbezogene Verhaltensweisen gewaltbereiter Einzeltäter frühzeitig erkannt werden können.

DOWNLOAD des TARGETS Schlussberichteshttps://www.uni-giessen.de/de/fbz/fb01/professuren-forschung/professuren/bannenberg/mediathek/dateien/schlussbericht-target-giessen.pdf



WARNSIGNALE ERKENNEN – BEDROHUNGEN VERHINDERN

 


Eine neue Studie zu Amokläufen von Erwachsenen in Deutschland und deren Warnverhaltensweisen erscheint nun im renommierten „Journal of Threat Assessment and Management“ (JTAM). Hierbei verglichen wir psychotische und nicht-psychotische Amokläufer hinsichtlich von Warnverhaltensweisen, die sie vor der Tat zeigten.

 

Das Ergebnis war, dass bei jedem der untersuchten Amokläufe von Erwachsenen mindestens ein Warnverhalten präsent war, wie etwa Gewaltdrohungen, Äußerungen gegenüber Dritten (Leakage) oder auch eine negative Fixierung auf Personen oder wahrgenommene Ungerechtigkeiten. Im Schnitt zeigten die psychotischen und nicht-psychotischen Täter mehr als fünf beziehungswiese mehr als sechs Warnverhaltensweisen pro Fall. Ein deutlicher Unterschied zwischen den beiden Gruppen bestand bei Planungs- und Vorbereitungshandlungen, sowie bei direkten Gewaltdrohungen. Die nicht-psychotischen Täter übertrafen hier ihre psychotischen Konterparts deutlich. 

 

Erwachsene Amoktäter zeigen in aller Regel bereits Monate vor der Tat, dass sie sich auf einem möglichen Weg zur zielgerichteten Gewalt befinden. Die Herausforderung für das Fallmanagement liegt nun darin, zunächst die einzelnen Informationen systematisch zu erfassen und zusammenzufügen. Der nächste Schritt im Sinne des Bedrohungsmanagements ist es dann Verhaltensweisen und Kommunikation der auffällig gewordenen Person auszuwerten. 

 

DIE ZUSAMMENARBEIT VON BEDROHUNGSMANAGMENT-EXPERTEN, LOKALEN BEHÖRDEN, SOZIALEN EINRICHTUNGEN. KLINISCHEN FACHPERSONEN UND ANDEREN STELLEN KANN DABEI HELFEN, ZUKÜNFTIGE TATEN ZU VERHINDERN.



REPORTAGE





QUELLANGABEN:



QUELLE: https://www.rnd.de/panorama/amoklauf-in-hamburg-zwei-gutachten-zu-buch-von-taeter-philipp-f-erstellt-FXGOIYZQ45D6QISOZ4N3ZMMYRU.html

QUELLE: https://www.tagesspiegel.de/politik/hamburger-amoktat-gutachter-stuft-den-tater-als-religiosen-fanatiker-9536252.html

QUELLE: https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/zeugen-jehovas-amoklaeufer-handelte-aus-religioesen-motiven-18764609.html

QUELLE: https://www.deutschlandfunk.de/extremismusforscher-peter-neumann-stuft-hamburger-amoktaeter-als-religioesen-fanatiker-ein-100.html

QUELLE: https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Amoktat-Tausende-zu-Trauerfeier-der-Zeugen-Jehovas-erwartet,amoklauf176.html

QUELLE: https://religion.orf.at/stories/3218307/      

QUELLE: https://www.radiohamburg.de/aktuelles/hamburg/Zeugen-Jehovas-gedenken-am-Samstag-der-Opfer-der-Amoktat-id858778.html

QUELLE: https://www.rnd.de/panorama/amoklauf-in-haQUELLE:mburg-zwei-gutachten-zu-buch-von-taeter-philipp-f-erstellt-FXGOIYZQ45D6QISOZ4N3ZMMYRU.html

QUELLE: https://www.krone.at/2948981

QUELLE: https://www.nd-aktuell.de/artikel/1171656.hamburg-zeugen-jehovas-attentat-taeter-war-ein-extrem-rechter.html

QUELLE: https://www.rtl.de/cms/amoklaeufer-von-hamburg-was-war-das-motiv-von-philipp-f-verwandter-gibt-einblick-5034374.html

QUELLE: https://www.n-tv.de/panorama/Amoklauf-Opfer-schweben-weiter-in-Lebensgefahr-article23981459.html

QUELLE: https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article157501060/Das-ueberraschend-homogene-Profil-von-Amoklaeufern.html

QUELLE: https://www.i-p-bm.com/blog/503-neue-studie-zu-amoklaeufen-von-erwachsenen-in-deutschland-und-deren-warnverhaltensweisen-in-journal-of-threat-assessment-and-management-veroeffentlicht

QUELLE: https://www.apa.org/news/press/releases/2016/08/media-contagion

QUELLE: https://www.i-p-bm.com/images/Literatur_und_Presse/zielgerichtete%20schwere%20gewalt%20an%20schulen.pdf

QUELLE: http://www.schattenblick.de/infopool/sozial/psychol/spfor148.html

QUELLE: https://www.t-online.de/region/hamburg/id_100144874/amoktat-bei-zeugen-jehovas-in-hamburg-ueberlebender-will-dem-taeter-vergeben.html

QUELLE: https://www.kathpress.at/goto/meldung/2245585/hamburg-kumenische-trauerfeier-fuer-amok-opfer-ohne-zeugen-jehovas

QUELLE: https://www.kirche-und-leben.de/artikel/amoktat-in-hamburg-zeugen-jehovas-nicht-bei-oekumenischem-gedenken

QUELLE: https://www.t-online.de/nachrichten/panorama/kriminalitaet/id_100142046/amoktat-in-hamburg-bei-zeugen-jehovas-buch-zeigt-extremismus-des-taeters.html 

QUELLE: https://www.uni-giessen.de/de/fbz/fb01/professuren-forschung/professuren/bannenberg/mediathek/dateien/schlussbericht-target-giessen.pdf

QUELLE: https://www.sifo.de/sifo/de/projekte/gesellschaft/urbane-sicherheit/target/target-tat-und-fallanalysen-ho-essiver-zielgerichteter-gewalt.html

QUELLE: https://alst.org/aktuelles/gemeinsame-stellungnahme-amoktat-in-hamburg-verlangt-sorgfalt-der-berichterstattung-und-solidaritaet-mit-den-angegriffenen-zeugen-jehovas/

QUELLE: https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Nach-Amoklauf-in-Hamburg-Zeugen-Jehovas-weiter-unter-Schock,amoklauf152.html

QUELLE: https://www.heute.at/s/amoklaeufer-als-prophet-so-wirr-war-sein-weltbild-100259809

QUELLE: https://www.focus.de/panorama/welt/bluttat-in-hamburg-mutmasslicher-amoklaeufer-schrieb-buch-ueber-gott-und-satan-und-war-fan-von-liverpool_id_187945866.html

QUELLE: https://www.focus.de/panorama/welt/verwandter-des-amoklaeufers-hatte-sofort-die-befuerchtung-dass-er-es-ist_id_187992699.html

QUELLE: https://www.fr.de/panorama/news-amoklauf-hamburg-tote-schuesse-philipp-f-taeter-zeugen-jehovas-92137257.html

QUELLE: https://www.spiegel.de/politik/deutschland/news-amoklauf-in-hamburg-waffen-grosse-koalition-in-berlin-franziska-giffey-jusos-auschwitz-a-e0b90282-e5a2-45b6-93bc-efc51e60e7c3

QUELLE: https://rp-online.de/panorama/deutschland/amoktat-bei-zeugen-jehovas-in-hamburg-wer-war-philipp-f_aid-86419933

QUELLE: https://www.blick.ch/ausland/zeugen-jehovas-zu-blutspende-frage-wir-arbeiten-mit-aerzten-die-blutfrei-behandeln-id18387908.html

QUELLE: https://www.sueddeutsche.de/panorama/kriminalitaet-hamburg-zeugen-jehovas-sprecher-amoklauf-begann-nach-gottesdienst-dpa.urn-newsml-dpa-com-20090101-230310-99-906582

QUELLE: https://taz.de/Toedliche-Schuesse-auf-Zeugen-Jehovas/!5921094/

QUELLE: https://philippfusz.com

QUELLE: https://www.stern.de/panorama/weltgeschehen/wer-war-philipp-f----berater--buchautor-und-wuetend-33271004.html

QUELLE: https://www.rnd.de/panorama/amoklauf-in-hamburg-schuetze-ex-zeuge-jehovas-autor-philipp-f-ueber-persoenliche-hoellenreise-LBUMR42SGBH6TO6KGHIXYONSZQ.html

QUELLE: https://de.wikipedia.org/wiki/Amoktat_in_Hamburg-Alsterdorf_2023

QUELLE: https://www.t-online.de/region/hamburg/id_100141806/amoktat-auf-zeugen-jehovas-kurz-zuvor-bewarb-der-schuetze-sein-buch.html

QUELLE: https://orf.at/stories/3308333/

QUELLE: https://www.ndr.de/nachrichten/info/Behrens-Je-weniger-Waffen-im-Umlauf-desto-geringer-Risiko,audio1337778.html

QUELLE: https://www.ndr.de/nachrichten/hamburg/Nach-Amoklauf-Hamburger-Polizei-raeumt-Kommunikationsfehler-ein,amoklauf180.html

QUELLE: https://www.zdf.de/nachrichten/panorama/amoktat-hamburg-zeugen-jehovas-vater-100.html








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