EGMR-Urteil: Das österreichische Religionsrecht verletzt Menschenrechte
Wien (OTS) - STRASSBURG: Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in einer heute veröffentlichten Entscheidung festgestellt, dass das österreichische Religionsrecht gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstößt. Zwei Bekenntnisgemeinschaften hatten sich über ihre Diskriminierung gegenüber anerkannten Kirchen beschwert. Die Rechtslage war im Vorfeld der Entscheidung auch von österreichischen Experten scharf kritisiert worden.
Nach Ansicht des Gerichtshofs ist die Religionsfreiheit der Beschwerdeführer verletzt, weil in Österreich ein System der Benachteiligung bis heute aufrechterhalten wird. Dadurch werde eine Klasse minderwertiger Religionen und konsequenterweise auch eine Klasse minderwertiger Bürger geschaffen. Dies führe im konkreten Fall zu einer Diskriminierung, welche mit dem Wesen einer pluralistisch-demokratischen Gesellschaft unvereinbar sei.
Dazu Johann Zimmermann, Sprecher der Zeugen Jehovas: Der Gerichtshof setzt mit dieser Entscheidung einen wichtigen Schritt. Zeugen Jehovas sind in unseren Nachbarländern wie Deutschland, Italien und Ungarn anerkannt. Nur in Österreich wird ihnen dieser Status bis heute verwehrt. Das Urteil ist nicht nur für die beiden Beschwerdeführer, sondern für viele Religionsgemeinschaften von Interesse. So sind auch Baptisten und Hindus in Österreich nicht anerkannt. Ihre Mitglieder werden vom Gesetz in vieler Hinsicht allein aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer nicht anerkannten Kirche benachteiligt.
In Österreich hat das Urteil insofern eine besondere Wirkung, als die Europäische Menschenrechtskonvention ein Teil der österreichischen Verfassung ist. Der Gesetzgeber ist nun angehalten, auf die Entscheidung zu reagieren, und die Rechtslage anzupassen.
