Jehovas Zeugen und sexueller Missbrauch: 4. Antworten auf Kritik
Opfer von sexuellem Missbrauch haben jedes Recht, zornig zu sein. Manchmal sollten sie aber überlegen, ob sie nicht wieder benutzt werden, diesmal zur Unterstützung von Anti-Sekten-Kampagnen.
von Holly Folk
LINK: 1. Der Fall Australien
LINK: 2. Belgien und Die Niederlande
LINK: 3. Einige häufige Missverständnisse
LINK: 4. Antworten auf Kritik
LINK: 5. Vorwürfe des sexuellen Missbrauchs in Deutschland als haltlos entlarvt
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| Aus der Serie Childhood Fractured des Chicagoer Künstlers Allen Vandever. Quellenangabe. |
Ich schreibe dies als Nachtrag zu meinen drei Artikeln über die Zeugen Jehovas und sexuellen Missbrauch. Meine Online-Präsentation bei einem Seminar im September 2020 hat zahlreiche Menschen dazu inspiriert, mir E-Mails zu schicken, und ich gehe davon aus, dass die Artikel noch mehr auslösen werden. In einigen der E-Mails wurde derselbe Punkt angesprochen: “Du verstehst das nicht; wie kannst du das sagen?”
Für diejenigen, die Opfer von sexuellem Missbrauch geworden sind, reicht es nicht zu sagen, ich fühle deinen Schmerz. Sexueller Missbrauch ist etwas Persönliches, und jeder Fall hinterlässt seine individuellen traumatischen Spuren. Es wäre anmaßend, einem Überlebenden zu sagen, dass ich seine persönliche Situation verstehe. Aber ich verstehe aus eigener Erfahrung die weite Verbreitung des Problems, die häufige Ineffektivität der Strafverfolgungsbehörden und der Gerichte und die verheerend schlechten, teilnahmslosen Reaktionen, die Menschen haben können, wenn Opfer ihre Geschichten erzählen.
Ich, als jemand, der selbst ein Opfer war, bin leidenschaftlich der Meinung, dass sexuelle Übergriffe nicht als Vorwand benutzt werden sollten, und schon gar nicht für persönliche finanzielle Vorteile, Politik oder religiösen Wettbewerb.
Hochkarätige Fälle erringen symbolische Siege, tragen aber wenig dazu bei, das Problem des Missbrauchs in der Gesellschaft anzugehen. Schlimmer noch, sie ziehen große Mengen an Arbeitskraft von der Vielzahl der Fälle ab, die nicht von der Medienaufmerksamkeit profitieren, was die tatsächliche Zahl der verfolgten Fälle reduziert.
Die Konzentration auf die Zeugen Jehovas, eine Gruppe, die von der allgemeinen Öffentlichkeit missverstanden wird, lässt die Gesellschaft den tatsächlichen Missbrauch, der geschieht, verdrängen und ignorieren. Indem man so tut, als gäbe es einen Zusammenhang zwischen Missbrauch und umstrittenen religiösen Minderheiten, hält man die Fiktion aufrecht, dass Missbrauch ein Problem der “Anderen” ist. des “fernen Feindes”, während in Wirklichkeit der reale Missbrauch so nah sein kann wie das Haus nebenan oder der nächste Raum im eigenen Haus.
Ich glaube fest an die Freiheitsrechte, die in einer freien demokratischen Gesellschaft unerlässlich sind. Die Kampagne gegen die Zeugen Jehovas, die wenig dazu beiträgt, den tatsächlichen Missbrauch in der Gesellschaft zu stoppen, IST EIN VORBOTE VON EINSCHRÄNKUNGEN DER RELIGIONSAUSÜBUNG.
Für mich schließt die Religionsfreiheit das Recht ein, im Unrecht zu sein. Obwohl von vielen Religionen praktiziert (auch in meiner eigenen Familie), ist der Ausschluss ehemaliger Mitglieder für viele Menschen eine zutiefst schmerzhafte Erfahrung. Der durch „Meidung“ erlittene Schmerz ist real, und die Menschen haben das Recht, diesbezüglich Änderungen zu fordern. Doch so falsch es in den Augen von Gegnern auch sein mag, ES IST EINE ENTSCHEIDUNG, DIE FREIE MENSCHEN TREFFEN KÖNNEN UND SOLLTEN. Die Zeugen Jehovas sind nicht die einzige Gruppe, die es für ihr Recht hält, dies zu tun.
An die Leser, die ihre zerrüttete Kindheit beklagen, und an die Opfer/Überlebenden überall: Es tut mir alles sehr leid, was Ihnen widerfahren ist. Ich hoffe, dass der Rest Ihres Lebens glücklicher ist als Ihre Vergangenheit. Ich hoffe, dass die Menschen, von denen Sie verletzt wurden, zur Rechenschaft gezogen werden. Und für die traurige, aber realistische Möglichkeit, dass das nicht passiert, dass die Gerechtigkeit (wie so oft) nicht siegt, hoffe ich, dass Sie Menschen finden, die Sie unterstützen können. Das Leben verläuft nicht immer gerecht (in der Tat tut es das selten), und viel Trauer bleibt unbewältigt.
Wenn wir auf unsere Kindheit zurückblicken, kann es schwer sein, unseren Eltern selbst banale Fehler zu verzeihen, ganz zu schweigen von absichtlich begangenen abscheulichen Taten. Ich hoffe, Sie können Frieden gegenüber Ihren Eltern und den anderen Erwachsenen in Ihrem Leben finden, die Sie durch ihre Taten und Unterlassungen verraten haben.
Mir ist klar, dass ich für einige Leser mit dieser Serie zu einem der Menschen geworden bin, von denen sie sich im Stich gelassen fühlen – verstoßen und übergangen. Das tut mir leid, aber ich denke, dass es für die Erhaltung der freien Gesellschaft notwendig ist, klar und deutlich über dieses Thema zu sprechen. ALLES, WORUM ICH SIE BITTE, IST, DASS SIE FÜR EINEN MOMENT IN BETRACHT ZIEHEN, DASS SIE VIELLEICHT WIEDER BENUTZT WERDEN, VON LEUTEN, DIE SICH WENIG DARUM SORGEN, GERECHTIGKEIT FÜR DIE OPFER ERREICHEN.
Ich würde es verstehen, wenn Sie meine Sichtweise nicht akzeptieren, aber trotzdem wünsche ich Ihnen Frieden.
Holly Folk ist außerordentliche Professorin für Religionswissenschaften an der Western Washington University, Bellingham, Washington. Zuvor hat sie an der Indiana Purdue University und der University of Indianapolis gelehrt. Im Jahr 2019 hat sie als Programmvorsitzende für die Jahrestagung der Gesellschaft für Religionssoziologie gedient. Sie hat zahlreiche Vorträge und Publikationen über neue religiöse Bewegungen, Religion in Ostasien, neue christliche Gruppen und kommunale Studien gehalten. Ihr 2017 erschienenes Buch “The Religion of Chiropractic: Populist Healing from the American Heartland” (Chapel Hill: University of North Carolina Press, 2017) wurde in einigen der wichtigsten akademischen Fachzeitschriften ihres Fachgebiets positiv beurteilt. |
